Materiewellen und Talbot Teppiche

Das Interferenzbild von Phthalocyanine Molekülen. Quelle: (Juffmann et al. - Real-time single-molecule imaging of quantum interference, 2012)
Ein Interferenzbild das die Wellennatur von Phthalocyanin Molekülen demonstriert. | Bild: Juffmann et al., 2012

Um die Welleneigenschaften von immer größeren und größeren Molekülen nachzuweisen bedienen sich Forscher oft gefinkelter experimenteller Methoden. Unter anderem machen sie sich dabei ein optisches Phänomen zu Nutze das Talbot Teppich heißt. Was sich hinter diesem Namen verbirgt und wie das aussieht, darum wirds in diesem Artikel gehen.

Was bisher geschah

Teil 1 – Die Geschichte von Materiewellen bis 1927

Teil 2 – Materiewellen und Talbot Teppiche

Im letzten Beitrag ging es darum wie Physiker Schritt für Schritt auf die Idee kamen auch Materieteilchen Welleneigenschaften zuzuschreiben und wie sie sich von den Ideen ihrer Vorgänger inspirieren ließen. Wir sind in weiterer Folge auf die Schrödingergleichung gestoßen und eine nützliche Analogie zur Wellenoptik, bis wir schließlich nach einem kurzen Exkurs zur Beugung von Röntgenstrahlung and Kristallgittern beim Nachweis der Wellennatur von Elektronen gelandet sind.

Hier machen wir nun einen kurzen Ausflug in die Wellenoptik. Dafür sehen wir uns zunächst ein ganz grundlegendes Phänomen an das wir uns im Anschluss dann zunutze machen werden – die Interferenz.

Interferenz

Eine geläufige Situation in der man es mit Interferenz zu tun hat ist, wenn man zwei Steine nebeneinander ins Wasser plumpsen lässt. Zuerst werden sich Wellen grob kreisförmig um die Steine ausbreiten bis sie schließlich aufeinandertreffen. An diesen Stellen verstärken sich die Wellen oder schwächen sich gegenseitig ab – je nachdem ob Wellentäler, Wellenberge oder irgendetwas dazwischen aufeinandertreffen. Genau das bezeichnet man als Interferenz, und das sehen wir uns gleich etwas detaillierter an!

Treffen also zwei Wellen verschiedener Wellenlänge oder Phase aufeinander, so kann dies zu einem recht komplexen und faszinierenden, fast hypnothischen, Ergebnis führen:

Wenn zwei Wellen aufeinandertreffen überlagern sich diese - es entsteht eine neue Welle die sich aus den jeweiligen Auslenkungen der ursprünglichen Wellen ergibt.Wenn zwei Wellen aufeinandertreffen überlagern sich diese - es entsteht eine neue Welle die sich aus den jeweiligen Auslenkungen der ursprünglichen Wellen ergibt.
Wenn zwei Wellen aufeinandertreffen überlagern sich diese – es entsteht eine neue Welle die sich aus den jeweiligen Auslenkungen (Amplituden) der ursprünglichen Wellen ergibt.

Es gibt hierbei aber zwei interessante Spezialfälle! Einer davon liegt dann vor, wenn die beiden ursprünglichen Wellen genau in Phase sind, also sozusagen immer genau ein Wellenberg mit einem Wellenberg überlappt, und ein Wellental mit einem Wellental. In solch einer Situation verstärken sich die beiden Wellen, es kommt zu konstruktiver Interferenz:

Konstruktive Interferenz entsteht wenn zwei Wellen aufeinandertreffen deren Wellenberge und Wellentäler genau übereinanderliegen. In Summe entsteht eine Welle mit höherer Amplitude als die beiden Ausgangswellen haben.
Konstruktive Interferenz entsteht wenn zwei Wellen aufeinandertreffen deren Wellenberge und Wellentäler genau übereinanderliegen. In Summe entsteht eine Welle mit höherer Amplitude als die beiden Ausgangswellen haben.

Es ist aber auch möglich, dass sich beide Wellen vollständig auslöschen. Dazu muss eine von den beiden um eine halbe Wellenlänge phasenverschoben sein. Dies bedeutet, dass nun ein Wellenberg jeweils auf ein Wellental trifft – und umgekehrt. Es geht sich in Summe genau so aus, dass die resultierende Welle überall, flapsig formuliert, Auslenkung $0$ hat.

Destruktive Interferenz entsteht wenn zwei Wellen aufeinandertreffen bei welchen genau Wellental und Wellenberg, und umgekehrt, aufeinandertreffen. In diesem Fall löschen sich beide aus.
Destruktive Interferenz entsteht wenn zwei Wellen aufeinandertreffen bei welchen genau Wellental und Wellenberg, und umgekehrt, aufeinandertreffen. In diesem Fall löschen sich beide aus.

Wellen können also auf diese Art miteinander wechselwirken. Sehen wir uns doch ein konkretes Beispiel an.

Interferenz von Laserlicht

Wir benötigen drei Zutaten – einen Laser, ein feines Gitter und eine Art Detektor. Im Prinzip kann der Detektor ein Blatt Papier sein, aber um etwas quantitativer zu messen bieten sich CCD Kameras an.

Ein Laser wird (von links kommend) durch ein feinmaschiges Gitter geschickt um am Ort des Blatt Papiers ein Interferenzmuster zu erzeugen.

Ein Laser wird (von links kommend) durch ein feinmaschiges Gitter geschickt und am Ort des Blatt Papiers ist schließlich ein Interferenzmuster zu sehen. Der Aufbau ist allerdings nicht ganz ideal, das Muster wird durch andere Effekte überlagert. Ein mit einer CCD Kamera aufgezeichner Ausschnitt zeigt das was man erwarten würde schon deutlicher:

Das Interferenzmuster welches sich ergibt wenn ein Helium Neon Laser (Wellenlänge $632.8\,\text{nm}$) durch ein feinmaschiges Gitter geschickt wird.

Das Bild zeigt jenes Interferenzmuster das sich dann ergibt, wenn ein Helium Neon Laser (Wellenlänge $632.8\,\text{nm}$) durch ein feinmaschiges Gitter geschickt wird. Während noch andere Effekte zum Tragen kommen ist deutlich zu sehen, dass sich helle Bereiche (etwa 100 Pixel breit) mit schmaleren dunkleren abwechseln. Am Ort des Detektors findet also abwechselnd konstruktive und destruktive Interferenz statt.

Die Gitterkonstante, nebenbei bemerkt, muss, damit sich diese Welleneigenschaft des Lichts zeigen lässt, in etwa in der Größenordnung der Laserwellenlänge liegen – oder anders gesagt – durchlässige und undurchlässige Stellen dürfen nicht viel größer sein als etwa der Durchmesser eines menschlichen Haars.

Ein feinmaschiges Gitter verglichen mit einem menschlichen Haar.

Ein feinmaschiges Gitter verglichen mit einem menschlichen Haar. Das Haar hat in etwa denselben Durchmesser wie die lichtdurchlässigen und lichtundurchlässigen Spalten des Gitters (etwa $40\,\mu\text{m}$)

Talbot Teppiche

Und das bringt uns nun zum Talbot Teppich. Das zuvor gezeigte Muster bildet sich dann, wenn der Detektor sich weit weg genug weg vom Gitter befindet, man spricht in diesem Fall von Fernfeldbeugung. In ausreichender Distanz kann die Krümmung der Wellenfronten vernachlässigt werden. Befindet man sich jedoch näher am Gitter, dort wo diese Vereinfachung nicht mehr zulässig ist, wird das Muster etwas komplexer. Zuerst entdeckte wurde dies bereits 1836 von Henry Talbot.

Ein Talbot Teppich der sich entlang der x-Achse vom Gitter (ganz links) aus ausbreitet. Entlang der x-Achse ist die Distanz in vielfachen der Talbot Länge angegeben, entlang der y-Achse als Vielfache der Gitterperiod. Bei ganze Zahlen sind die Gitteröffnungen, dazwischen kommt kein Licht durch.
Ein Talbot Teppich der sich vom Gitter (ganz links) entlang der x-Achse aus ausbreitet. Entlang der x-Achse ist die Distanz in vielfachen der Talbot Länge angegeben, entlang der y-Achse als Vielfache der Gitterperiode. Bei ganzen Zahlen sind die Gitteröffnungen, dazwischen kommt kein Licht durch.

Ein Abbild des Gitters wiederholt sich verkleinert immer und immer wieder, und irgendwann ergibt sich wieder das Gitter in seiner Originalgröße. Von links nach rechts gehend gesehen stellt man zuerst bei $1.0\,l_T$ fest, dass das Bild des Gitters wieder so groß ist wie das Original. Allerdings ist es um eine halbe Gitterperiode entlang der y-Achse verschoben! Geht man noch weiter nach rechts findet man schließlich eine exakte Reproduktion – und zwar bei $2.0\,l_T$. Hierbei ist $l_T$ die Talbot Länge, welche von der Gitterkonstante und der Wellenlänge des Lichts abhängt:

\[ l_T = \frac{d_G^2}{\lambda} \]

Für einen roten Helium-Neon Laser mit $\lambda=632.8\,\text{nm}$ und einem Gitter mit Gitterkonstante $40\,\mu\text{m}$ ergäbe sich eine Talbot Länge von $2.5\,\text{mm}$. Ein virtuelles Experiment zum Talbot Effekt kann man übrigens auf quantumnano.at durchführen!

So weit so gut! Wie sich jetzt Quantenphysiker den optischen Talbot Effekt zu Nutze machen, darum wirds beim nächsten Mal gehen.

Literatur

H. F. Talbot. Facts relating to optical science. no. iii. London and Edinburgh philosophical magazine and journal of science, 9:001–004, 1836.

Johannes Horak
Johannes Horak hat sein Physikstudium an der Universität Wien mit Schwerpunkt Quantennanophysik abgeschlossen. Anschließend arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer Ernst-Mach-Institut auf dem Gebiet der Laser-Materie Wechselwirkung. Von Dezember 2015 bis Juni 2020 war er an der Universität Innsbruck tätig und beschäftigte sich mit der feineren Auflösung von globalen Klimamodellen in Gletscherregionen. Beginnend mit Juni 2020 arbeitet er für die Stadt Linz als Stadtklimatologe.

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