Das fließende Eis der Pasterze

Die Pasterze im Juli 2009
Die Pasterze im Juli 2009 | Bild: Johannes Horak

Ende Oktober wurde von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) ein großartiges Video online gestellt. Dieses zeigt wunderbar was einen Gletscher ausmacht – das fließende Eis. Dieses, im Folgenden verlinkte, Video ist ein guter Anlass sich mit der Pasterze etwas näher zu befassen und sich ihre Entwicklung anzusehen.

Was Gletscher sind und wie man sie vermessen kann haben wir uns vor ein paar Monaten in einem Artikel namens „Das Vermessen von Gletschern“ bereits genauer angesehen. Kurz zur Erinnerung: Ein Gletscher ist eine Ansammlung von mehrjährigem Schnee oder Eis, welche aufgrund des Einflusses der Gravitation den Hang hinab fließt. Eindrucksvoll zu sehen ist dies im eingangs erwähnten Video der ZAMG:

[youtube https://www.youtube.com/watch?v=5a0ztROZBeQ]

Der Zeitraffer besteht aus Fotos die täglich zwischen Oktober 2015 und August 2017 aufgenommen wurden und zeigen den Hufeisenbruch Eisfall der Pasterze. Da es klarerweise nicht jeden Tag perfekte Sicht auf den Gletscher gab wurden diese Bilder aussortiert und fanden nicht ihren Weg ins Video. Letztlich sehen wir im Mittel etwa 100 Tage auf eine Sekunde kondensiert vorbeiziehen. Dadurch wird sichtbar, wie sich die gewaltigen Eismaßen talwärts ergießen.

Dabei ist ergießen hier ein relativer Begriff. Im Bereich des Eisfalls wurde im Mittel eine Geschwindigkeit von $14.3\,\text{m/Jahr}$ gemessen, in weniger steilen Regionen beträgt dieser eher um die $2.2\,\text{m/Jahr}$.

Auch wenn es dramatisch aussieht – dieser Eisfluß ist grundsätzlich ein natürlicher Vorgang und selbst das Eis von Gletschern die nicht immer weiter und weiter schrumpfen fließt auf diesselbe Art und Weise talwärts. Was allerdings einen Unterschied macht ist, wieviel Schnee in den oberen Regionen über den Winter angehäuft wird und wieviel davon sich über die Jahre zu Eis verdichten kann. Verkürzt gesagt: Kommt von oben zu wenig Nachschub verliert der Gletscher durch das Abschmelzen in den tiefer gelegenen Regionen Masse.

Die Pasterze ist davon stark betroffen. Im aktuellen Gletscherbericht des Alpenvereins wird ihr Rückgang von 2015 auf 2016 mit $44.3\,\text{m}$ angegeben. Dies ist auch nicht eine einmalige Sache, ein weiteres Video der ZAMG veranschaulicht auch diesen Vorgang:

[youtube https://www.youtube.com/watch?v=TXC0Y56wG3w]

Es zeigt den Rückgang der Gletscherzunge der Pasterze zwischen 2011 und 2015.

Blickt man noch weiter zurück wird die dramatische Entwicklung erst so richtig sichtbar. Das Ältere der beiden folgenden Bilder zeigt die Pasterze im Jahr 1920 und stammt aus der Laternenbildsammlung des Alpenvereins, wohingegen die aktuellere Aufnahme im Jahr 2012 gemacht wurde (Alpenverein/N. Freudenthaler, Gletscherbericht 2016). Die Originalbilder wurden leicht angepasst um den Überlapp zwischen Felsregionen zu verbessern und auszugleichen, dass nicht am exakt gleichen Standpunkt fotografiert wurde.

Pasterze 2012: eine in die umgebende Bergwelt tief eingesunkene Gletscherzunge Foto: Alpenverein/N. Freudenthaler, Gletscherbericht 2016Pasterze 1920: Eindrucksvolle Frontalansicht aus südöstlicher Richtung (Viktor-Paschinger-Weg ) auf Großglockner, Pasterze und Johannisberg auf einem Foto aus den 1920er Jahren Foto: Alpenverein/ Laternbildsammlung

In einen Graph gegossen lässt sich der Rückgang der Pasterze so darstellen:

Die Fluktuation der Zungen von drei ausgewählten Gletschern in Österreich. Als Nullpunkt wird jeweils die Position gewählt zu welcher es die erste Aufzeichnung gibt.
Der Rückgang der Zungen von drei ausgewählten Gletschern in Österreich. Als Nullpunkt wird jeweils die Position gewählt zu welcher es die erste Aufzeichnung gibt, im Fall des Hallstätter Gletschers ist dies 1883, für den Hintereisferner 1770 und für die Pasterze 1620. Datenquelle: Leclercq et al. 2014

Die gelbe Kurve stellt dabei ihren Rückzug dar: seit 1860 hat sich die Pasterze also um inzwischen mehr als $2000\,\text{m}$ zurückgezogen.

Aber was wird ihr die Zukunft bringen? Nun, auch da sieht es alles andere als rosig aus. Kaufmann et al. (2015) stellen fest, dass sich der Eisfall, welcher die Verbindung zwischen dem Hauptgletscher und der Zunge darstellt, rapide auflöst. Ohne diese Verbindung würde die Gletscherzunge von oben keinen Nachschub an Eis mehr erhalten. In den Worten der Autoren:

We thus assume that the remaining glacier tongue will turn into a large dead ice body in the near future.

Kaufmann et al. 2015

Oder übersetzt: Aus diesen Gründen nehmen wir an, dass die übrigbleibende Gletscherzunge in naher Zukunft zu einer großen toten Eismasse werden wird. Tot heißt in diesem Fall, dass der Fluß des Eises zum Erliegen gekommen ist – per Definition spricht man in diesem Fall nicht mehr von einem Gletscher. Ohne diesen Eisfluss, ohne Nachschub aus höher gelegenen Gletscherregionen oder ausreichend Schnee der sich über mehrere Jahre hinweg ohne zu schmelzen wieder zu Eis verdichten kann, würde auch diese Überbleibsel letztlich verschwinden.

Literatur

Gletscherbericht des österreichischen Alpenvereins, 2016

Gletscherbericht des österreichischen Alpenvereins, 2017

Kaufmann, Viktor, et al. Glaciological studies at pasterze glacier (Austria) based on aerial photographs. Monitoring and Modeling of Global Changes: A Geomatics Perspective. Springer Netherlands, 2015. 173-198.

P.W. Leclercq, J. Oerlemans, H.J. Basagic, I. Bushueva, A.J. Cook, and R. Le Bris, A data set of worldwide glacier length fluctuations, The Cryosphere 8, 659-672, doi:10.5194/tc-8-659-201, 2014.

Datensatz Gletscherfluktuation: Website von P.W. Leclercq

Johannes Horak
Johannes Horak hat sein Physikstudium an der Universität Wien mit Schwerpunkt Quantennanophysik abgeschlossen. Anschließend arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer Ernst-Mach-Institut auf dem Gebiet der Laser-Materie Wechselwirkung. Von Dezember 2015 bis Juni 2020 war er an der Universität Innsbruck tätig und beschäftigte sich mit der feineren Auflösung von globalen Klimamodellen in Gletscherregionen. Beginnend mit Juni 2020 arbeitet er für die Stadt Linz als Stadtklimatologe.

Ein Kommentar

  1. Zufällig entdeckt. Danke für den tollen Bericht! Der Vergleich mit den Überblendfotos zeigt einen erst die wahren Dimensionen.
    Dir alles Gute.
    Lg, Reinhard

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