Das eigentliche Problem hinter der Impfdebatte

Eine Spritze
Eine Spritze (Cc-BY-SA-3.0) | Bild: Armin Kübelbeck

 Reaktionen und Kommentare

Zunächst möchte ich mich für die überwältigende Zahl an Kommentaren bedanken. Ich habe hier einige herausgegriffen welche – meiner Meinung nach – interessante Punkte ansprechen oder Kritik an meiner Hypothese äußern. Dazu werde ich im Folgenden kurz Stellung nehmen.

Kowosch

Wie würde man über Atomenergie diskutieren, wenn manche verleugneten, daß es so etwas wie radioaktiven Zerfall überhaupt gäbe?

Wie würde man da als Physiker gegenargumentieren? Läge die Ursache da auch im Mißtrauen, daß die Atomindustrie geweckt hat?
Oder hat doch auch ein fundamentaler Bildungsmangel zusammen mit einer Art Talk-Show-Mentalität einen Anteil? Man lädt Vertreter aller Meinungen ein, egal, wie häufig oder fundiert diese sind (Stichwort „false balance“), und obwohl man vom Wissenschaft und deren Grundlagen, sowohl methodisch im Allgemeinen als auch ein Fachgebiet im Speziellen betreffend, nichts weiß, meint man doch mitdiskutieren zu können. Und fühlt sich auch noch „kritisch hinterfragend“.
Jene Impfgegner, die fundamentalste Grundprinzipien des Faches verleugnen, mögen zwar zahlenmäßig in der Minderheit sein – aber sie sind doch sehr lautstark…

 

Antwort: Grundsätzlich ein guter Punkt, er geht aber etwas an der Gruppe Personen vorbei an die ich hauptsächlich dachte als ich den Kommentar schrieb (und von der ich glaube, dass sie die Größere ist). Es gibt wohl auch Impfgegner die die absoluten Grundlagen in Frage stellen – in solchen Fällen glaube ich persönlich nicht, dass eine Diskussion noch Sinn macht oder möglich ist. Wenn jemand aber quasi erst das Vertrauen verloren hat wird sich das eher in einer allgemeinen Skepsis gegenüber dem wissenschaftlichen Konsens niederschlagen. Da setzt dann natürlich diese False Balance an, indem nicht fundierte Aussagen als gleichwertig präsentiert werden. Ist auf jeden Fall auch ein Punkt.

Zwecks der wie argumentiert man Thematik: Irgendwie denke ich inzwischen, dass das reine zitieren von Studien in solchen Diskussionen keinen Sinn macht. Man muss erst eine gewisse Basis wiederherstellen, den Wissenschaftlichen Prozess und die Methodik erklären (weil die meisten wissen darüber kaum Bescheid) und dann hat man immerhin schon etwas Land gewonnen. Wissenschafter sind nicht unfehlbar oder unkorrumpierbar, aber das System an sich hat einen hervorragenden Mechanismus zur Selbstkorrektur. Ich glaub das ist ein Punkt, den man rüberbringen muss. Natürlich ist so eine Diskussion komplexer, und da jetzt auf alle Eventualitäten einzugehen würde wohl eine Artikelserie brauchen.

TKreutzer

Was mir in dem Kommentar ein wenig fehlt…

..ist der Versuch einer Erklärung für das *Ausmaß* an Mißtrauen gegenüber den „etablierten“ Institutionen und an Vertrauen gegenüber den Alternativen.
Denn in Wirklichkeit *verlieren* die Leute ja das Vertrauen nicht, sie vertrauen in vielen Fälllen weiterhin einfach ähnlich kritiklos – nur halt jemand Anderem.

Beispiel: Der Schluß: „Pharmafirmen schwindeln bei ihren Studien und sind nur am Gewinn interessiert“ => „man muss allen Pharmafirmen misstrauen“ ist für Leute überhaupt kein Problem, die gleichzeitig „alternativen“ Präparaten, für die *überhaupt keine Studien* existieren und den entsprechenden Herstellerfirmen, die damit einen gewaltigen Reibach machen, bedingungslos vertrauen.

Ersteres kann ich nachvollziehen, Zweiteres nicht.

 

Antwort: Ja ich denke man kann es auch so formulieren. In erster Linie verlieren aber die Institutionen das Vetrauen und dann wandert es sozusagen anderswo hin. Eventuell ist der Auslöser dafür in der zuvor erwähnten False-Balance zu suchen, und darin, dass Menschen doch gerne Teil von Gruppen sind und auch gerne Bestätigung suchen. Bin ich selbst schon länger gegenüber etwas misstrauisch und ich treffe auf jemanden der dies ebenso sieht fühle ich mich bestätigt und vermutlich bin ich auch leichter bereit anderen Meinungen dieser Person Gehör zu schenken. Ich könnte mir zumindest vorstellen, dass das ein Teil der dahinterliegenden Dynamik ist.

Yomellamo

Heutzutage kann halt auch jegliche noch so unqualifizierte Person

mit jeder noch so unqualifizierten Aussage trotzdem ein grosses Publikum erreichen. Einfach indem ein blog-post ins netz gestellt wird.

Das verhilft auch komischen Esoterik-spinnerein zu einer Reichweite die sie nicht verdient haben.

 

Antwort: Das Problem des Internets seh ich jetzt eher nicht darin, dass jeder schreiben kann was er will. Eher in der Inselbildung. Man braucht sich gar nicht mehr mit Argumenten der anderen Gruppen auseinandersetzen, man sucht sich eine Community in der man in seinem Tun und Denken kritiklos bestärkt wird sobald es dem entspricht was in der Gruppe Konsens ist. Das empfinde ich ist eine der negativsten Tendenzen. Ich mag ja das Sprichtwort „Durchs reden kommen die Leute zusammen“ sehr sehr gerne, und genau dieses reden kommt eigentlich immer zu kurz. Weil es ist einfach erfrischend sich mit jemandem zu unterhalten (von dem man vielleicht ein gewisses Bild im Kopf hat) und im Anschluss festzustellen, dass obwohl zB. die politischen Meinungen auseinandergehen, man dennoch Gemeinsamkeiten hat. Das alles gibts in geschlossenen Onlinecommunities nicht. Klar kann sowas im realen Leben auch schief gehen, mit manchen kann man einfach gar nicht, aber die positiven Überraschungen übertreffen die negativen (zumindest in meinem Fall) doch bei weitem.

Zelvik

Das Grundproblem ist ein anderes und das lässt sich auch aus diversen Studien herauslesen. Das Bildungsniveau der Österreicher in Hinblick auf Naturwissenschaften ist minimal, die Lehrpläne der naturwissenschaftlichen Fächer sind Stückwerk. Wer sich nicht selbst damit beschäftigt, weiß selbst nach einer Matura nicht zwingend was eine wissenschaftliche Theorie ist und was wissenschaftliche Methodik ausmacht. Hat zwar vielleicht was von Newtons Gesetzen gehört, aber keine Ahnung was das bahnbrechende an dieser Denkweise ist. Wie das Niveau an Hauptschulen aussieht kann man sich dann gut vorstellen.
Österreich wird immer noch vom Aberglauben und viel Unwissenheit beherrscht, Wissenschaft ist vollkommen unzugänglich für viele Menschen im Land.

 

Antwort: Das ist natürliche in Problem. Aber ehrlich gesagt denke ich nicht, dass das „Idealbild“ einer Gesellschaft erreichbar ist, in der jeder derart interessiert und offen ist für diese Art von Bildung. Das sich Österreich im Moment (scheinbar) in Richtung des anderen Extrems bewegt ist auf jeden Fall eine besorgniserregende Entwicklung. Ich will auch gar nicht dagegenreden, das Nichtwissen über die wissenschaftliche Methode leistet sicher einen Beitrag. Aber das allein glaube ich ist nicht ausreichend, zumindest scheint es statistisch ja eher so zu sein, dass Menschen die das Nichtimpfen bevorzugen vermehrt in Akademikerkreisen zu finden sind. Klar, Akademiker ist nicht Akademiker, aber das spricht für mich dagegen, das rein über die Bildung zu argumentieren.

Körperklaus

die „Impfskeptiker“ sind also nur bedauernswerte Individuen, die halt einen Vertrauensverlust erlitten haben – das greift zu kurz.

Bei aller berechtigten Kritik an der Pharmaindustrie (die Studien verzerrt) und an den Medien (die Wissenschaft verzerrt darstellen), muss man schon auch aussprechen, dass es auf der Seite der „Impfskeptiker“ (mir widerstrebt es so sehr, den Ehrentitel „Skeptiker“ für diese Dampfplauderer zu verwenden) spielt auch eine gefährliche Mischung aus Wissenschaftsfeindlichkeit, Profitinteresse (Zuckerkugerl sind ein einträgliches Geschäft für jede Apotheke) und Dunning-Kruger-Effekt mit. Diese Überheblichkeit und Selbstüberschätzung („ich bin der einzig Erleuchtete in einer Herde von wissenschaftsgläubigen Schafen“) ist eben nicht das selbe wie ein „Vertrauensverlust“.

 

Antwort: Nein, es greift genau so weit wie es soll. Ja es gibt wesentlich radikalere „Impfgegner“, aber die sind (zumindest meiner Meinung nach) nicht die Mehrheit. Rein von der Wortwahl habe ich mit dem Bergriff Skeptiker auch so meine Probleme, liegt aber eher daran, dass das schon im alten Griechenland eine nicht allzupositive Konnotation hatte. Da gings mehr um das dagegenargumentieren, nicht um das tatsächliche hinterfragen und was lernen. Wie gesagt, ich denke nicht, dass der Großteil der Impfskeptischen Personen in die von ihnen erwähnte Kategorie fällt. Der Großteil ist meiner Ansicht nach tatsächlich eher verunsichert – ist zumindest meine Erfahrung aus den meisten Gesprächen. Wenn man natürlich mit Anschuldigungen vorprescht (Überheblichkeit, Profitgierig, etc.) dann stößt man natürlich auf eine Wand.

 

jazzcrack

Man muss Institutionen vertrauen

Es gibt da noch einen anderen Weg, so wie etwa quelloffene Software im Vergleich zu Code von Institutionen ein höheres Level an Vertrauen genießt, analog dazu kann die Medizin der Zukunft ihre Arzneien vom Patentrecht lösen. Und neben den 3D-Druckern steht dann ein Drug-Drucker in jedem Haushalt. Guter Artikel, danke.

 

Antwort: In gewisser Weise denke ich, dass dies zwar eine gute Idee ist, aber letztlich wird das Problem dadurch nur „weitergeschoben“. Ich verwende zwar unter anderem auch quelloffene Software und betreibe einen Linux Server, aber ich verlasse mich auch auf eine Community. Selbst habe ich kein einziges Mal im Quellcode nachgesehen und obwohl ich zwar auch programmieren kann würde ich mir nicht anmaßen einschätzen zu können, welche Codezeilen oder Implementierungen evt. zu Sicherheitsproblemen führen können. Auch das Loslösen von Arnzeimitteln vom Patentrecht bringt wieder Schwierigkeiten mit sich, besteht mitunter die Gefahr, dass Pharmafirmen aufgrund der hohen Kosten einfach auf Neuentwicklungen verzichten – immerhin hat man ja keine Garantie mehr, die Kosten irgendwie wieder reinzubekommen. Damit will ich aber auch nicht sagen, dass nicht eventuell ein besseres System denkbar wäre.

wald_4tler

Impfdebatte — in Wahrheit geht es hauptsächlich ums Geld

Pharmakonzerne arbeiten ähnlich wie Versicherungen mit Angst!
Es wird ein möglichst schreckliches Bild gemalt, was sein könnte, wenn man sich nicht durch eine Impfung schützt.

Ein geniales Konzept, durch Erzeugung von Angst, in kürzester Zeit möglichst viel Geld einzusammeln.

Sicher gibt es Impfungen, welche sinnvoll sind.
Nur jeden Schwachsinn sollte man nicht mitmachen.

 

Antwort: Ich sehe grundsätzlich kein Problem damit, dass auf die Folgen von etwas hingewiesen wird. Gurte im Auto sind etwas Grundvernünftiges, auch da wird darauf hingewiesen, was die Folgen sind wenn er nicht angelegt wird. Ist es deswegen gleich Angstmacherei? Aus gewissen Dingen ergeben sich einfach Konsequenzen, die kann man nun entweder einfach benennen, schlimmer darstellen oder verharmlosen. Angstmacherei sehe ich da noch nicht zwangsläufig wenn zB. darauf hingewiesen wird, dass die Todesrate bei Masern in etwa 1:1000 oder 1:2000 beträgt. Mit dem selben Argument das Sie anführen kann man auch gegen Bremsen im Auto argumentieren, oder im Prinzip gegen alles mögliche woraus sich negative Konsequenzen ergeben.

 

Formalist_KdLEP

Die dichotomie sachlich/emotional ist keine.

nicht-sachlich ist nämlich nicht automatisch emotional und nicht-emotional ist nicht automatisch sachlich. Da gibts viel dazwischen. Und in wahrheit glaube ich nicht, dass diese debatte in irgendeiner weise emotzional geführt wird. Was aber nicht heißt das sie sachlich ist (wie eben erwähnt.)

Es ist nicht der Grund für eine Emotzionale debatte zu suchen (weil sie ist nicht emotzional), sondern es ist festzustellen, dass die debatte eine paarung von selbstüberschetzung mit kritik-fetischismus ist und dann dafür der grund zu suchen.

 

Antwort: Das ist tatsächlich ein valider Punkt, auch wenn ich mit Ihrer weiteren Analyse nicht übereinstimme. Eine sachliche Debatte kann auch emotional geführt werden, während eine unsachliche auch emotionslos erfolgen kann (usw.). Allerdings – zumindest meiner Ansicht nach – beeinträchtigt eine emotional geführte Debatte tendentiell die Sachlichkeit. Weiters sehe ich regelmäßig in Foren und im (erweiterten) Bekanntenkreis wie die Debatte einerseits unsachlich und emotional geführt wird. Ich kann ihrer Analyse also nicht zustimmen.

Der Markt will es!

Sehr guter Kommentar

Das einzige was mir darin etwas fehlt ist die Rolle der Medien. Die sind schließlich so etwas wie eine zentrale Schnittstelle.
Und auch die Medien haben sehr an Vertrauen eingebüßt – zurecht wie ich finde (mangelhafte journalistische Qualität, Schlagseiten, Advertorials, …)

 

Antwort: Ich muss Ihnen was das angeht teilweise zustimmen, denke aber, dass die Rolle der Medien einer eigenen Analyse bedürfte. Ursprünglich war mein Gedankengang, dass Medien und Ärzte im Prinzip ja denselben Vertrauensverlust erleiden wie alle anderen auch. Insofern spiegelt deren Berichterstattung natürlich die in der Bevölkerung verbreitete Unsicherheit wieder. Dass damit eventuell eine gewisse journalistische Sorgfalt nicht eingehalten wird, erscheint mir durchaus möglich, aber ich bin zu wenig Journalist um das einschätzen zu können.

Michael Aires

 

Nicht der Wissenschaft, sondern der Pharmaindustrie wird mißtraut.

Mit anderen Worten: Nicht der Falsifizierbarkeit, sondern dem Gewinnstreben.
Wissenschaft, die sich in den Dienst multinationaler Konzerne stellt und zum Handlanger wird, ist keine Wissenschaft.
Mag verständlich sein, wenn nicht jeder brotlos forschen möchte, aber wenn am Ende eine „Medizin“ steht, die nur noch mit künstlichen Stoffen, möglichst billig erzeugt und teuer verkauft, an Symptomen herum“doktert“, haben wir halt den Salat.

 

Antwort: In diesem Sinne haben sie natürlich recht, aber ich denke, dass von den meisten Betroffenen nicht wirklich differenziert wird bzw. differenziert werden kann. Denn woher wissen die Menschen außerhalb des Wissenschaftsbetriebs etwas über wissenschaftliche Methodik? Das etwas, dass nicht ergebnisoffene Resultate produziert zwangsläufig nicht Wissenschaft sein kann, da stimme ich Ihnen natürlich zu. Wie gesagt, ich sehe das Problem eher darin, dass aufgrund von einigen Akteuren die im wissenschaftlichen Sinne bewusst oder unbewusst grob fahrlässig handeln auf die gesamten Wissenschaften verallgemeinert wird und damit der Vertrauensverlust einhergeht.

Johannes Horak
Johannes Horak hat sein Physikstudium an der Universität Wien mit Schwerpunkt Quantennanophysik abgeschlossen. Anschließend arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer Ernst-Mach-Institut auf dem Gebiet der Laser-Materie Wechselwirkung. Von Dezember 2015 bis Juni 2020 war er an der Universität Innsbruck tätig und beschäftigte sich mit der feineren Auflösung von globalen Klimamodellen in Gletscherregionen. Beginnend mit Juni 2020 arbeitet er für die Stadt Linz als Stadtklimatologe.

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